Kassenzettel als ÖV-Ticket
Es ist ein trügerisches Bild, welches sich in diesen Tagen in Bern bietet. Obwohl sich auf den ersten Blick wieder viele Menschen in den Gassen tummeln, ist die Corona-Krise noch längst nicht ausge- standen. Denn der Umsatz der Berner Geschäfte liegt laut Sven Gubler, Direktor der Innenstadtorganisation BERNcity, bis Ende Jahr ungefähr 20 – 30 Prozent unter dem Courant normal. Aus diesem Grund fordern wir jetzt neue und konkrete Massnahmen zur Unterstützung des Berner Gewerbes.
Sven Gubler, Direktor der Innenstadtorganisation BERNcity, hat sich am Samstag, 25.07.2020, in einem grossen Interview zur aktuellen Lage geäussert. Das Fazit: Falls sich das Konsumverhalten nicht verbessert, stehen Schliessungen bevor. Diese Aussage hat uns sehr berührt und zum Nachdenken angeregt. Aus diesem Grund fordern wir jetzt neue Massnahmen des Stadt- und Gemeinderats, um die Wirtschaft noch besser zu unterstützen. Denn besondere Zeiten erfordern besondere Massnahmen.
Damit die Läden in der Stadt wieder ihren normalen Umsatz erzielen können, braucht es in erster Linie mehr Frequenz in der Innenstadt. Für uns ist deshalb klar: Wir müssen die Innenstadt mit kreativen Ideen noch attraktiver machen! Dabei spielt der öffentliche Verkehr in der Stadt eine wesentliche Rolle. Wir fordern deshalb, dass der Gemeinderat, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Verbänden, ein Konzept erarbeitet, welches die Förderung unseres Gewerbes mit konkreten Massnahmen festlegt. Die wichtigste Regelung des Konzepts soll ein kostenfreies ÖV-Angebot darstellen. Allerdings nur für Personen, die in der Stadt Bern konsumieren oder lokale Geschäfte durch ihre Einkäufe unterstützen. Diese Idee soll zur Überwindung der Krise wieder vermehrt Leute in die Stadt locken und zeitlich klar begrenzt sein. Zudem muss ein bestimmter Franken Betrag festgelegt werden, der die kostenfreie Fahrt ermöglicht. Für das Gewerbe soll damit aber kein Mehraufwand entstehen. Denkbar ist zum Beispiel, dass der Kassenzettel während einer bestimmten Zeit als Fahrschein gültig ist. Ein ähnliches System existiert bereits heute. Mit der App von Bern Welcome können Berner Hotelgäste die Stadt, nach ihrem Aufenthalt in einem Hotel, kostenlos mit dem ÖV verlassen. Dieses System könnte problemlos auf das gesamte Stadtberner Gewerbe ausgeweitet werden.
Im Rahmen dieser Massnahme soll der Gemeinderat zusammen mit den zuständigen Verbänden einen vollumfänglichen Budgetplan erarbeiten und eine geeignete Finanzierung festlegen. Der Steuerzahler soll dabei möglichst nicht belastet werden. Wir können uns zum Beispiel vorstellen, dass dieses Angebot über gestrichene Vorhaben der Stadt und Sponsoring-Beiträge finanziert wird. Weiterhin gilt der Grundsatz des Verbands öffentlicher Verkehr: Was nichts kostet hat keinen Wert. Aber in der Krise braucht es unkonventionelle Vorschläge, die schlussendlich Arbeitsplätze sicherstellen und im Endeffekt auch Steuereinnahmen für die Stadt generieren. Ausserdem gibt diese Massnahme dem krisengebeutelten öffentlichen Verkehr die Chance, Kunden und Vertrauen zurückzugewinnen. Denn die Hemmschwelle für die Nutzung des ÖV ist für eine gewisse Zeit zumindest preislich nicht mehr vorhanden.
Unser Vorschlag hat aber auch Zukunftscharakter, davon sind wir überzeugt. Denn er könnte der Stadt Bern langfristig einen Standortvorteil verschaffen. So ist es aus unserer Sicht denkbar, dass Personen, die in Bern einkaufen oder konsumieren, auch in Zukunft von einem kostenlosen ÖV-Angebot profitieren können. Wir sind überzeugt, dass sich dieses Modell nach der Corona-Krise auch langfristig finanzieren liesse. Dies zum Beispiel über eine Umsatzbeteiligung der Geschäfte in Bern, Solidaritätszahlungen der Stadt und Sponsoring Beiträge. Damit trägt unser Modell nicht zur Abwertung des öffentlichen Verkehrs bei, sondern fördert die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts, sichert nachhaltig die Arbeitsplätze und hilft dem Klima in der Stadt Bern. Zudem fallen nicht alle Ticketeinnahmen weg, sondern nur die, die konkret und direkt in den Stadtberner Wirtschaftsstandort investiert werden.