Wo soll die Stadt den Rotstift ansetzen – eine Übersicht

Die Corona-Krise verschärft die bereits sehr prekäre Finanzlage in der Stadt Bern zusätzlich. Es zeigt sich in der laufenden Legislatur einmal mehr, dass die Stadtberner Regierung nicht mit Geld umgehen kann. Aus diesem Grund präsentieren wir in dieser Medienmitteilung unsere Forderungen, um die Finanzen in der Stadt Bern wieder in den Griff zu bekommen.

Die letzten Wochen haben es verdeutlicht, die Stadt Bern muss dringend ganz massiv sparen. Dass nun erste Anstrengungen, mit dem Ziel Kosten einzusparen, unternommen werden, begrüssen wir. Aber eine Verschiebung der konkreten Entscheide bis nach den Wahlen, wie es der Gemeinderat versucht, ist aus unserer Sicht einfach nur politisches Kalkül. Allerdings ist die Verzögerungstaktik der falschen Strategie geschuldet, wenn man bedenkt, dass bis vor kurzem noch ein weiterer Stellenausbau geplant war. Natürlich zur Umsetzung der eigenen politischen Agenda. Jetzt muss sich die rot-grüne Mehrheit der Spar-Debatte aber stellen, so unangenehm dies auch sein wird. In der aktuellen Situation kann die Klientelpolitik von «Rotgrün» nicht mehr aufrechterhalten werden. Der Staat darf jetzt nicht die eigenen Konsumausgaben priorisieren, wennschon (v.a. in dieser Krisensituation) sollten Aufträge aktiv an das lokale Gewerbe erteilt (wo beschaffungsrechtlich möglich) und bürokratische Hürden abgebaut werden.

Denn wir, als zukünftige Generation, werden an dem Defizit und den aktuellen Schulden noch lange zu beissen haben. Umso mehr finden wir es stossend, dass zuletzt auch bürgerliche Kräfte im Stadtrat einer weiteren Verschuldung der Stadt Bern zugestimmt haben. Wie ist es möglich, dass z.B. Basel und Zürich positive Rechnungsergebnisse und Selbstfinanzierungsgrade von über 100% ausweisen (auch nach Bereinigung von Sondereffekten), während rot-grün für Bern einen nochmals tieferen Selbstfinanzierungsgrad um die 30% als gut und unausweichlich erachtet. Damit nimmt die rot-grüne Mehrheit ganz bewusst ein nahezu fahrlässiges Schuldenwachstum in Kauf.

Des Weiteren wird das Unterschreiten der Bruttoverschuldungsquote von 140% als grosses Erfüllen des Sparziels ausgerufen. Aus unserer Sicht ist das ein «Buebetrickli». Nebst dem Fakt, dass nach gängiger Lehre nur ein Wert von <100% als vernünftig erachtet wird, wurde die Quote erst in dieser Legislatur eigens durch die Regierung von 120% auf 140% angehoben. Das ist ein Affront gegen die jungen Menschen in der Stadt Bern, denen all diese Schulden aufgebürdet werden. So wird denn auch dereinzige finanzpolitische “Erfolg” dieser Legislatur sein, dass Ausgaben, Schulden und Gebühren erhöht worden sind und eine Steuererhöhung nur mit riesigem Glück verhindert werden konnte.

Wir Jungfreisinnigen sehen Wege aus der Schuldenkrise und präsentieren nachfolgend unsere konkreten Spar- und Überprüfungsvorschläge und einige Projekte, an denen trotz grossen Sparbemühungen festgehalten werden sollte:

Anlagewerte:

  • Verkauf von Wohnungen im Eigentum der Stadt. Denn rund die Hälfte, der über 2’000 Wohnungen im Stadtbesitz eignen sich nicht als Sozialwohnungen, oder sind nicht Bestandteil des politischen Pakets «günstiger Wohnraum» und können somit frei verkauft werden.
  • Veräusserung des stadteigenen Weinguts und des Hallenbads Hirschengraben «Mubeeri» (Verkauf nach Fertigstellung Hallenbad Neufeld). Von diesen alten Zöpfen muss sich die Stadt trennen, die beiden Betriebe kosten schliesslich Millionen. Besonders das Hallenbad «Mubeeri» verfügt über einen riesigen Standortvorteil für jegliche Art von privaten Unternehmen (Fitnesscenter, Markt- halle, Büroräumlichkeiten etc.). “Wenn wir Geld wie Heu hätten, würden wir beides machen, neu bauen und sanieren.”, sagte schliesslich schon SP alt-Gemeinderätin Edith Olibet zum Mubeeri.
  • Prüfung weiterer Privatisierungsschritte bei diversen Institutionen (wie z.B. der Stadtgärtnerei) und Stopp mit der Konkurrenzierung privater Anbieter.
  • Erhebung eines marktüblichen Eintrittspreises (analog Ka-We-De) für Badeanstalten mit Becken ohne Aare-Zugang. Die Erhebung eines Eintrittspreises ist schweizweit üblich (Zürich mit einer solch gesunden Finanzsituation kann sich solche “Spässe” vielleicht leisten). Als “Kulturgüter” explizit weiterhin gratis nutzbar sollten Aare-Bäder, wie Marzili und Lorraine, bleiben.
  • Reduktion betrieblicher Unterhalt (wie Winterdienst für Velostreifen [Reduktion auf vertretbares Minimum]) von öffentlichen Bereichen.

Investitionen / Projekte:

  • Ersatzlose Streichung der Luxusprojekte «Velobrücke», «Löifu», «Velostation Hirschengraben» und «Museumsinsel».
  • Erneute Überprüfung aller Investitionsprojekte und mögliche Aufschiebung bzw. Redimensionierung von Sanierungen der stadteigenen Liegenschaften und Anlagen (z.B. Schulanlagen, öffentliche Plätze und inkl. der Projekte von Bernmobil). Vom Gemeinderat wird ein detaillierter und begründeter Priorisierungs- und Verzichtsplan eingefordert.
  • Wir begrüssen die mit obigem Punkt zusammenhängende angedachte Vereinfachung von internen Bau-Standards. Eine Entbürokratisierung trägt zu einer (kosten-)effizienteren Verwaltung bei.
  • Die Weiterführung der staatlichen Wohnbaupolitik, mit einer solchen Schlagseite zum sozialen Wohnungsbau, muss dringend hinterfragt werden. Diese steht momentan konträr zu Forderungen der Erhöhung des Steuersubstrats.
  • Stopp jeglicher Ausgaben bezüglich zusätzlicher Möblierung von Stadtplätzen.
  • Aktive Weiterverfolgung des Projekts «Grossbern» (Fusion mit den umliegenden Gemeinden) mit dem Ziel, die Effizienz in der Verwaltung zu steigern und das Steuersubstrat zu erhöhen.
  • Projektkosten: Aus der Medienmitteilung zur Anpassung der Bauordnung entnahmen wir, dass interne Personalressourcen “nicht quantifizierbar seien” und deshalb nicht auf das Projekt verrechnet werden. Dieses saloppe Akzeptieren von “Eh-da-Kosten” und die offensichtliche Planungsungenauigkeit, verträgt sich überhaupt nicht mit unserem Verständnis von Transparenz und exakter Arbeit. Eine vollumfängliche Kostenverrechnung “Transfer-Pricing” ist längst state-of-the-art und die Finanzdirektion muss sich ernsthafte Gedanken zu einer solchen Einführung machen. Das Ziel sollte natürlich nicht die übertriebene Aktivierung von Eigenleistungen sein, sondern faire Kosten- transparenz gegenüber dem Steuerzahler zu erreichen.

Verkehr:

  • Sofortige Beendung aller mit der Velo-Offensive zusammenhängenden Arbeiten: Zahlungen an PubliBike, flächendeckend Tempo 30, Sensibilisierungskampagnen, Stellenprozente in Verwaltung, externe Mandate/Honorare. Zumindest der Umstieg aufs Velo hat Corona provoziert, weitere staatliche Kampagnen in diesem Bereich sind nun nicht mehr nötig.
  • Weiterverfolgung des Projekts “Mobility-Pricing” mit dem klaren Ziel, die Spitzenlast zu senken und nicht die Kosten für den MIV einseitig zu verteuern. Ganz nach dem Prinzip eines fairen mit- und nebeneinander.

Events / Nachtleben / Gastronomie:

  • Alle Beitragszahlungen an Events und an die Kulturszene sind zu überprüfen. Klar zu streichen sind sämtliche Beiträge an Events, die nur der Bewirtschaftung der rot-grünen Klientel dienten (autofreier Tag, “Hallo Velo”, Tag der Nachbarschaft).
  • Wir halten nichts von den “Pflästerli-Massnahmen” des Gemeinderats, in denen er existenzbedrohende Streichungen bei diversen kulturellen Events vorschlägt (z.B. Rendez-vous-Bundesplatz). Aus Bern soll kein «Ballenbern» werden! Deshalb dürfen nicht sämtliche Unterstützungen (zusam- men)gestrichen werden (wie z.B. Tour de Suisse, Beitrag an neue Eventhalle BEA-Expo, Stadttheater). Es soll aber mit Nachdruck nach Organisatoren gesucht werden, welche keine Defizitgarantie von der Stadt verlangen.
  • Die erfolgreiche Arbeit von “Pinto” darf nicht abgewürgt werden, Einsparungen sind dort völlig fehl am Platz.
  • Der Gastronomie und dem Nachtleben sollen alle öffentlichen Plätze (gegebenenfalls durch Zahlung einer Miete) bis Ende 2021 zur Verfügung gestellt werden, damit sich die Branche entsprechend erholen kann (siehe u.a. Medienmitteilung vom 09.06.2020).

Soziales / Sicherheit:

  • Kein weiterer Ausbau der Sozialdienste (KITA, Gleichstellung, Migration, Integration). Solange kein konkretes Wachstum der Bevölkerung oder keine stark steigenden Fallzahlen nachgewiesen werden können.
  • Laufende Kosten im Bereich Sicherheit sollen mit der Reduktion von Überwachung im öffentlichen Raum (z.B. Mandate Drittunternehmen) gesenkt werden.
  • Vereine bilden ein Rückgrat unserer Gesellschaft, allfällige Beiträge an Quartierorganisationen oder Sportvereine sollen nicht gekürzt werden.

Personal:

Wir gehen davon aus, dass alleine unsere Vorschläge im Bereich Personal ein Defizit verhindern würden. Die Zitrone ist noch längst nicht ausgepresst!

  • Sofortiger Anstellungsstopp und Streichung sämtlicher «CAPEX» zu Gunsten des Personals.
  • Jede Stelle wie auch jedes externe Mandat sollen auf ihre Notwendigkeit überprüft werden.
  • Erhöhung des Rentenalters auf 65 (heute 63). Als Ausgleich zur Erhöhung des Rentenalters soll geprüft werden, ob älteren Arbeitnehmenden (ü60) eine zusätzliche Woche Ferien zugesprochen werden kann.
  • Die Arbeitszeit pro Woche ist bei Büroangestellten auf 42 Std. zu erhöhen.
  • Verzicht auf sämtliche Lohnerhöhungen im 2020 und danach eine jährliche automatische Lohnerhöhung nur noch bei einer Bewertung von “sehr gut”.
  • Reduktion Verzinsung der Alterskapitalien (heute 2,75%). Eine erhöhte Beteiligung des Personals an der 2015 beschlossenen Sanierung der Pensionskasse ist zu prüfen (derzeitige Unterdeckung, 91%). Trotz der Sanierung leistet man sich weiterhin eine nicht mehr dem Markt entsprechende Verzinsung.
  • Streichung der Zinsen auf privaten Konti der Stadtberner Beamten.

Wir sind uns bewusst, dass einige Vorschläge sich nicht mehr mit unseren früheren Positionen decken (z.B. Hallen- und Freibäder). Die derzeitige Situation verlangt aber nach langfristig einschneidenden Massnahmen, die längst die Grenzen der politischen Ideologie überschreiten. Wir wollen/müssen ebenfalls in den sauren Apfel beissen.

Eine Steuererhöhung, ob kurz- oder langfristig, lehnen wir entschieden ab. Die Verwaltung der Stadt Bern hat genügend eigene Möglichkeiten, dem drohenden Verlust mit Minderung der eigenen Ausga- ben entgegen zu wirken. Die Stadtberner Bevölkerung darf nicht noch mehr abgeschröpft werden. Zudem fordern wir alle politischen Lager dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass Bern wieder ein attrak- tiver Standort für private Unternehmen und Einzelpersonen wird. Nur so kann langfristig und nachhal- tig das Steuersubstrat erhöht werden.